Du kennst das vielleicht: Nach einem langen Tag in der Sauna, auf dem Berg oder im Yogastudio fühlst du dich erschöpft, aber irgendwie auch verspannt. Oft liegt der Grund dafür tiefer, als du denkst – genauer gesagt, in deinem Psoas-Muskel. Als Saunameister, Bergwanderführer und Yogalehrerausbilder habe ich gelernt, wie wichtig dieser oft übersehene Muskel für unser Wohlbefinden ist.
Was ist der Psoas-Muskel?
Der Psoas, ausgesprochen “So-as”, ist nicht nur ein einfacher Muskel, sondern ein faszinierendes Kraftpaket in unserem Körper. Er erstreckt sich von der Brustwirbelsäule bis zur Innenseite unseres Oberschenkels und hat dabei eine einzigartige Position: Er ist der einzige Muskel, der unsere Wirbelsäule direkt mit den Beinen verbindet.
Genau genommen sprechen wir hier vom Iliopsoas, der sich aus zwei Muskeln zusammensetzt: dem Musculus psoas major (großer Lendenmuskel) und dem Musculus iliacus (Darmbeinmuskel). Der Psoas major entspringt an den Lendenwirbeln, während der Iliacus seinen Ursprung in der Beckenschaufel hat. Gemeinsam setzen sie am Oberschenkelknochen an, genauer gesagt am kleinen Rollhügel (Trochanter minor).
Die Bedeutung des Psoas im Alltag
Stell dir vor, du stehst stundenlang in der Sauna, leitest Aufgüsse und bewegst dich kaum. Oder du wanderst einen steilen Berg hinauf, dein Rucksack drückt auf deinen unteren Rücken. In beiden Situationen ist dein Psoas stark gefordert. Ein verspannter Psoas kann zu Rückenschmerzen, Hüftproblemen und sogar zu Atembeschwerden führen.
Der Psoas ist unser Stabilitätsanker. Ohne ihn könnten wir uns nicht aufrecht halten. Als unser größter Hüftbeuger ermöglicht er uns das Anheben des Beins, was für alltägliche Bewegungen wie Gehen und Treppensteigen unerlässlich ist. Bei einseitiger Anspannung kann er sogar die Lendenwirbelsäule zur Seite neigen.
Der Psoas und unser Nervensystem
Was viele nicht wissen: Der Psoas steht in direkter Verbindung mit unserem Reptiliengehirn, dem ältesten Teil unseres Hirnstamms. Dieser ist nicht nur für lebenswichtige Funktionen wie Atmung und Herzschlag zuständig, sondern auch für unsere Kampf-oder-Flucht-Reaktion.
Wird unser Angstreflex ausgelöst, spannt sich der Psoas automatisch an. Er bereitet unseren Körper auf Flucht oder Kampf vor. Das erklärt auch, warum wir uns bei Gefahr oft instinktiv zusammenrollen – der Psoas schützt unsere Eingeweide, indem er uns in eine embryonale Position bringt.
Meine Erfahrung mit dem Psoas
Als ich vor einigen Jahren meine Ausbildung zum Yogalehrer begann, hatte ich keine Ahnung, wie sehr der Psoas mein Leben beeinflusste. Oft hatte ich Rückenschmerzen, besonders nach langen Wanderungen in den Bergen oder nach stundenlangem Sitzen bei Saunaseminaren. Erst durch Yoga lernte ich, meinen Körper besser zu verstehen und zu spüren.
Der moderne Lebensstil und der Psoas
Unser hektischer Alltag mit ständigem Sitzen und Dauerstress hinterlässt Spuren. Der Körper wird kontinuierlich mit Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol überflutet. Interessanterweise kann sogar übermäßiger Kaffeekonsum dazu beitragen. Das Resultat? Ein dauerhaft angespannter Psoas.
Langes Sitzen verkürzt und verspannt den Muskel zusätzlich. Es entsteht ein Teufelskreis: Die Verspannung wird ans Gehirn gemeldet, was wiederum Stress und Angst auslöst. Die Gegenspieler des Psoas – hauptsächlich Bauch- und Gesäßmuskeln – geraten ebenfalls unter Dauerstress.
Die Folgen eines verspannten Psoas
Ein chronisch angespannter Psoas kann weitreichende Folgen haben:
- Rückenschmerzen und Haltungsprobleme: Er zieht uns ins Hohlkreuz und kann sogar zu Bandscheibenvorfällen führen.
- Organische Beschwerden: Durch die Verengung des Bauchraums kann die Blutversorgung und Funktion der inneren Organe beeinträchtigt werden.
- Atemprobleme: Die enge Verbindung zum Zwerchfell kann zu einer flachen Atmung führen, was Konzentrationsschwäche und Müdigkeit nach sich zieht.
- Stressreaktion: Die Daueranspannung hält den Körper in einem Zustand ständiger Alarmbereitschaft.
Yoga für den Psoas
In meiner Yogapraxis habe ich gelernt, wie wichtig es ist, den Psoas zu dehnen und zu stärken. Hier sind einige meiner Lieblingsübungen:
- Niedrige Ausfallschritte: Sie dehnen den Psoas sanft und öffnen die Hüften.
- Taube: Diese Stellung ist intensiv, aber so wohltuend für einen verspannten Psoas.
- Brücke: Stärkt den Psoas und die gesamte Körpermitte.
- Boot (Navasana): Hier wird der Psoas aktiv eingesetzt, um den Oberkörper vom Boden zu heben.
Persönliche Erfahrung und Alltags-Tipp
Seit ich diese Übungen regelmäßig in meine Routine einbaue, fühle ich mich wie neugeboren. Ob ich nun meinen kleinen Sohn durch die Wohnung trage, eine Gruppe auf den Gipfel führe oder eine Yogaklasse unterrichte – mein Körper fühlt sich stark und flexibel an.
Ein einfacher Tipp für zwischendurch: Steh aufrecht und hebe ein Knie zur Brust. Halte diese Position für einige Atemzüge und wechsle dann die Seite. So aktivierst du deinen Psoas sanft und verbesserst deine Balance.
Fazit
Der Psoas-Muskel mag tief in unserem Körper verborgen sein, aber seine Wirkung auf unser Wohlbefinden ist enorm. Er ist nicht nur ein Muskel, sondern ein Bindeglied zwischen Körper und Geist, zwischen unserer physischen Stabilität und unserer emotionalen Reaktion auf Stress.
Ob du nun Yoga praktizierst, in der Sauna arbeitest oder die Berge erklimmst – ein gesunder, ausgeglichener Psoas ist der Schlüssel zu einem starken, schmerzfreien Körper und einem ausgeglichenen Gemüt.
Nimm dir die Zeit, deinen Psoas zu pflegen. Achte auf deine Haltung, integriere regelmäßige Dehnübungen in deinen Alltag und sei dir bewusst, wie Stress und Anspannung sich auf diesen wichtigen Muskel auswirken können. Dein Körper wird es dir danken, und du wirst erstaunt sein, wie viel leichter sich das Leben anfühlt, wenn dieser zentrale Muskel im Gleichgewicht ist.
Denk daran: Jeder Schritt, den du in Richtung eines gesunden Psoas machst, ist ein Schritt zu mehr Vitalität, Beweglichkeit und innerem Frieden. Namaste!